Die Stille lebt

Wart ihr schon einmal auf einem Friedhof? Natürlich. Aber auch schon einmal, als es dunkel war? So ganz alleine, kurz vor Weihnachten und die Flammen der Kerzen flackerten im Wind?
Man könnte Agst kriegen aber der Frieden eines solchen Ortes raubt mir jedes Mal den Atem. Werden solche Dinge nicht in gewissen Geschichten als Mutproben dargestellt? Bei Nacht über den Friedhof... Aber so war es nicht. Ich stand also wieder einmal an einem Grab und dachte nach. Man denkt ja eigentlich immer nach, wenn man an einem Grab steht. An die Person, die dort begraben liegt, irgendwelche Erinnerungen, die man hat oder Probleme, mit denen man sich gerade beschäftigt.
Als ich genug nachgedacht hatte, beschloss ich, zu horchen. Und ich stand also da und horchte ganz tief in die schwere Stille hinein. Und wisst ihr was? Die Stille lebte. Vereinzelte Vögel sangen noch ihr Nachtlied, eine der vielen streunenden Friedhofskatzen durchstreifte ihr Revier und ich hörte in der Luft ganz feine Töne, Klänge, mehr in meinem Kopf als um mich herum.
Dies ist nicht der sich anbahnende Gehörschaden, es ist die Sprache der Stille, der Verstorbenen. Ich fühlte, wie mein Körper in der starren Kälte ganz warm und weich wurde. Wie in Watte gepackt stand ich da und wurde von einem Glücksgefühl durchströmt. Und da bemerkte ich, dass jemand hinter mir stand. Ich hatte jedoch niemanden an mich heran treten hören und so drehte ich mich nicht um. Ich versuchte, die Person hinter mir ganz bewusst wahrzunehmen aber es gelang mir nicht. Vielmehr bemerkte ich nun, dass nicht nur jemand hinter mir stand. Von allen Seiten umgaben mich die Schatten der Verstorbenen, die aber so viel Wärme verbreiteten.
Ich war ohne Angst aber gefesselt von diesem Augenblick. Ganz still und friedlich standen wir da und ich grüsste sie alle. Der Moment verflog ganz schnell als der Motor eines vorbei brausenden Autos ein wenig zu laut aufheulte. Langsam erwachte ich aus diesem tranceartigen Zustand.

Und wer mich nun für verrückt hält der versteht die Welt nicht richtig.
Ich bin mir sicher, dass ich in diesen wenigen Minuten die Anwesenheit der Verstorbenen, ihre Nähe, ihre Angst vergessen zu werden gespürt habe. Aber sie werden nicht vergessen, nie. Ihre Freundlichkeit und Wärme, ihre Liebe, die schönen Erinnerungen und ihre Taten und Werke werden uns allen immer im Gedächtnis, im Herzen bleiben.
Sie schützen und leiten, führen und beraten uns in unseren Träumen und der Friedhof ist ein Ort, an dem ich mich ihnen besonders nahe fühle.

Darum bin ich mir so sicher und ich weiss es ganz bestimmt: die Stille lebt.
Und so denkt besonders in dieser vorweihnachtlichen Zeit an eure lieben Verstorbenen und ihre Angehörigen. Sie werden euch immer beschützen.

Eponine

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