Rezension: Und alle so still

Und alle so still - Mareike Fallwickl

Beschreibung des Verlages:

An einem Sonntag im Juni gerät die Welt aus dem Takt: Frauen liegen auf der Straße. Reglos, in stillem Protest. Hier kreuzen sich die Wege von Elin, Nuri und Ruth. Elin, Anfang zwanzig, eine erfolgreiche Influencerin, der etwas zugestoßen ist, von dem sie nicht weiß, ob es Gewalt war. Nuri, neunzehn Jahre, der die Schule abgebrochen hat und versucht, sich als Fahrradkurier, Bettenschubser und Barkeeper über Wasser zu halten. Ruth, Mitte fünfzig, die als Pflegefachkraft im Krankenhaus arbeitet und deren Pflichtgefühl unerschöpflich scheint.
Es ist der Beginn einer Revolte, bei der Frauen nicht mehr das tun, was sie immer getan haben. Plötzlich steht alles infrage, worauf unser System fußt. Ergreifen Elin, Nuri und Ruth die Chance auf Veränderung?

Inhalt:
Es ist scheinbar ein Tag wie jeder andere, aber einzelne Frauen legen sich in einem stillen Protest auf den Boden. Wir sehen Ruth im Zwiespalt zwischen ihrer Verantwortung als Krankenpflegerin und ihrer persönlichen Erschöpfung, Elin, die sehr wohlhabend aufgewachsen ist und als Influencerin arbeitet und Nuri, dessen Eltern nach Österreich gekommen sind, in der Hoffnung, sich ein neues Leben aufzubauen und der sich von schlecht bezahltem Gelegenheitsjob zu Gelegenheitsjob rettet.
Wir lesen, wie die Menschen sich einander annähern, wie unsere Hauptfiguren sich kennenlernen, wie sie zusehen, wie alles zu entgleiten droht und welche Lösungen sich vielleicht daraus ergeben könnten.

Meine Meinung:
Natürlich wusste ich, worauf ich mich in etwa beim Lesen einlassen würde, an diesem Buch kommt man ja seit Wochen nicht mehr vorbei, aber ich hatte Rezensionen und Beschreibungen bewusst bloss überflogen, um mich ganz auf das Buch einlassen zu können. Ich bin sehr gut in die Geschichte gekommen und habe vor allem Ruth sofort ins Herz geschlossen. Fallwickl hat sich ausführlich mit der Arbeit im Gesundheitssystem auseinandergesetzt und dies wunderbar in die Figur und die Beschreibungen einfliessen lassen. Ruth war es auch, die mich wirklich zu Tränen gerührt hat und deren Umgang mit der Situation mich am stärksten beeindruckt hat. Mir hat aber auch sehr gut gefallen, dass Fallwickl mit Nuri einen ebenfalls vom System benachteiligten Mann, einen Menschen mit Migrationshintergrund, der weit unter dem Existenzminimum (über-)lebt und seine Ausbildung abgebrochen hat, um Geld verdienen zu können, portraitiert. Der Roman zeigt auf, dass eben nicht nur Frauen von vorherrschenden Strukturen benachteiligt werden, sondern dass gesamthafte Lösungen uns allen helfen würden.

Sprache und Aufbau:
In gewohnt sehr detailliert und poetisch beschreibender Sprache entwickelt Fallwickl diese Geschichte und springt einfach mitten in die Szene hinein. Dies hat mir persönlich sehr gut gefallen. Wir alle wissen, was Sache ist, ein überlastetes System bricht zusammen, die Menschen, die es mit letzter Kraft zusammenhalten, brechen zusammen und eine Lösung dafür gibt es nicht oder zumindest nicht über Nacht. Nach und nach wurde die Geschichte zäh und zäher und die Dialoge wirkten für mich immer theatralischer. Hier hätte ich mir mehr Schlichtheit aber auch mehr Schlagk

raft gewünscht. Ich bin aber sehr froh, dass Fallwickl dem Grundsatz treu geblieben ist, positive, von Liebe geprägte und unterstützende Beziehungen zwischen Frauen darzustellen.
Das Ende des Romans habe ich mit eher gemischten Gefühlen erwartet, wusste ich doch, dass es aus der im Roman mit den sich hinlegenden Frauen überspitzt dargestellten Situation nicht wirklich einen Ausweg geben würde. Fallwickl hat aber einen guten, sehr passenden und eher offenen Schluss für diese Geschichte gefunden und insgesamt haben mich natürlich vor allem der Inhalt, aber auch der Aufbau und die Sprache sehr überzeugt.

Meine Empfehlung:
Lest ihn, den feministischen Roman der Stunde. Lasst euch ein auf dieses was-wäre-wenn-Gefühl, fühlt euch getragen von weiblicher Solidarität und Liebe, von der Hoffnung auf eine Gesellschaft, die zusammenspannt. Diskutiert dieses Buch, kritisiert es, wenn ihr mögt, zieht eure Lehren daraus und transportiert dann positive, unterstützende Gefühle aber auch viel Aktivismus in euer Umfeld, eure Freund*innenschaften und eure Familien.

Zusätzliche Infos:
Titel:
Und alle so still
Autorin: Mareike Fallwickl, 1983 in Hallein bei Salzburg geboren, lebt mit ihrer Familie im Salzburger Land. 2018 erschien Dunkelgrün fast schwarz. 2019 folgte Das Licht ist hier viel heller. Ihr Bestseller Die Wut, die bleibt war ein großer Erfolg bei Presse und Publikum. Die Bühnenfassung hatte im Sommer 2023 Premiere bei den Salzburger Festspielen. Mareike Fallwickl setzt sich für Literaturvermittlung ein, mit Fokus auf weiblichen Erzählstimmen.
Sprache: Deutsch
Hardcover mit Schutzumschlag: 368 Seiten
Verlag: Rowohlt
Erscheinungstermin: 16.04.2024
ISBN: 978-3-498-00298-5

Rezension: Das Nachtfräuleinspiel

Dieses Buch ist ein Rezensionsexemplar aus dem dtv Verlag. Vielen herzlichen Dank!

Das Nachtfräuleinspiel - Anja Jonuleit

Beschreibung des Verlages:

Ihr Unbehagen hatte einzig und allein mit dem Anruf zu tun, den sie gestern Abend erhalten hatte. Und mit den Geistern, die dadurch ins Haus gewitscht waren. Warum hatte sie überhaupt den Hörer abgenommen?
Liane van der Berg kann auf ein erfolgreiches Leben blicken: Sie gilt als eine der führenden Erziehungsexpertinnen des Landes, ist seit Jahrzehnten glücklich verheiratet und hat wunderbare Kinder.
Doch ist Lianes Leben wirklich so perfekt? Ein verstörender Anruf und ein Brief voll gut verborgen geglaubter Geheimnisse bringt alles in Wanken. Und auf einmal ist er wieder da, jener Ostermontag 1968, an dem alles begann …

TW: Vergewaltigung, emotionale und körperliche Gewalt, auch an Kindern

Inhalt:
Liane van der Berg ist Vorzeigemutter und Ehefrau, gefeierte Psychologin und Familientherapeutin sowie erfolgreiche Buchautorin und Fernsehfrau. Doch dies ist nur das Bild, das sie von sich in den Medien und in ihrem Umfeld abgeben will. Eines Tages erhält sie einen rätselhaften Brief und weitere Szenen aus ihrer Vergangenheit scheinen sich plötzlich wieder in ihr Leben zu schleichen. Jemand treibt ein böses Spiel mit ihr und sie muss dieser Person unbedingt auf die Schliche kommen, bevor alle ihre sorgsam gehüteten Geheimnisse ans Tageslicht kommen.

Meine Meinung:
Anja Jonuleit hat mich im April kontaktiert und weil ihre Nachricht so lieb und aufmerksam formuliert war, wollte ich ihre Bücher unbedingt kennenlernen und habe mir "Das Nachtfräuleinspiel" ausgesucht und dazu auch gleich noch ihren neusten Roman "Kaiserwald" bekommen.
Es fällt mir schwer, in Worte zu fassen, wie sehr ich die Protagonistin verabscheut und das Buch gleichzeitig gemocht habe, Jonuleit beweist hier wirklich ein Händchen für ihre Figuren, aber auch eine grossartige Recherchearbeit. Sie verknüpft geschickt eine Sage mit einem Karnevalsbrauch und einer tragischen Familiengeschichte. Vor allem im Bereich der Pädagogik hat sich die Autorin mit der viel kritisierten Festhaltetherapie und der Waldorfschule befasst und einige entsprechende Szenen in ihre Geschichte einfliessen lassen. Im Nachwort geht sie noch einmal ausführlich sowohl auf den Karnevalsbrauch als auch auf ihre Recherchen zur Pädagogik ein.

Schreibstil und Aufbau:
Während wir es anfangs mit einem rätselhaften Brief und einer vermeintlich harmlosen älteren Dame zu tun haben, tauchen wir mit jedem Kapitel tiefer in das Leben einer nach aussen hin glücklichen Familie ein und lüften Geheimnis um Geheimnis. Ausserdem wird die Geschichte immer spannender und bedrohlicher. Wer steckt hinter den böswilligen Anschlägen auf Liane van der Berg? Wo wird diese Geschichte noch hinführen? Vor allem am Ende konnte ich das Buch kaum mehr aus der Hand legen und auch wenn sich irgendwann abzeichnete, worauf alles hinauslaufen würde, hat mich auch der Schluss sehr überzeugt.

Meine Empfehlung:
"Das Nachtfräuleinspiel" hat mich mit seiner tiefgründigen Geschichte überrascht und gefesselt und ich bin froh, dass sich Anja Jonuleit bei mir gemeldet hat, ich werde sicher bald weitere Bücher der Autorin lesen und "Kaiserwald" liegt ja bereits schon hier. Herzliche Leseempfehlung!

Zusätzliche Infos:
Titel:
Das Nachtfräuleinspiel
Autorin: Anja Jonuleit wurde in Bonn geboren. Sie arbeitete als Übersetzerin und Dolmetscherin, bis sie anfing, Romane und Geschichten zu schreiben. Sie lebt mit ihrer Familie nahe Friedrichshafen.
Sprache: Deutsch
Taschenbuch, Klappenbroschur: 496 Seiten
Verlag: dtv Verlag
Erscheinungsdatum: 23.04.2021
ISBN: 978-3-423-21918-1

Leseliste Mai 2024

Hallo ihr Lieben

Da ich aus dem April fünf begonnene Bücher mitnehme, war es sehr naheliegend, für den Mai eine Leseliste zusammenzustellen. Die begonnenen Bücher habe ich mit einigen zusätzlichen Büchern ergänzt, die ich ebenfalls ganz bald lesen möchte und dann schaue ich einfach, was ich im Mai alles beenden kann.

Und alle so still - Mareike Fallwickl
Fallwickls neuen Roman habe ich sehnsüchtig erwartet und vorbestellt und es ist bis jetzt das erste selbstgekaufte Buch im Jahr 2024. Leider komme ich einfach sehr selten dazu, weiterzulesen, obwohl mich die Geschichte beeindruckt. Gestern wollte ich das Buch eigentlich beenden, aber nun wird es halt auf das Wochenende verschoben. Da die Themen ziemlich intensiv sind, möchte ich das Buch nicht unterwegs lesen, sondern lese es zu Hause und bin auch deshalb nicht so schnell.

Das Nachtfräuleinspiel - Anja Jonuleit
Dieses Buch ist ein Rezensionsexemplar aus dem dtv Verlag und ich werde es ebenfalls an diesem Wochenende beenden. Es gefällt mir sehr gut und beinhaltet eine dramatische Familiengeschichte. Die Protagonistin ist eine - absichtlich - äusserst unsympathisch dargestellte Mutter und Psychologin. Diese Perspektive habe ich selten bei Büchern. Obwohl ich sie verabscheue (und ganz, ganz wenig bemitleide), möchte ich unbedingt wissen, wie alles ausgeht.

Leuchtturmnächte - Debbie Macomber
Das Buch ist noch nicht begonnen, ich habe aber beim Stöbern in meinem SuB so richtig Lust auf diese wahrscheinlich eher leichte und unterhaltsame Geschichte und freue mich schon sehr darauf.

Der Zopf meiner Grossmutter - Alina Bronsky
Das Buch habe ich im März in einem Bücherschrank gefunden und wollte es eigentlich sofort lesen, bin aber noch nicht dazu gekommen. Von Alina Bronsky hat mich "Baba Dunjas letzte Liebe" vor einigen Monaten nämlich sehr begeistert. Ich hoffe auf eine weitere begeisternde Geschichte.

Welches Königreich - Fine Gråbøls
Dieses Buch ist ein Rezensionsexemplar aus dem Ecco Verlag und ich habe die ersten Kapitel bereits inhaliert. Ich möchte es ganz bald beenden und mich noch mehr auf diese bewegende, sprachgewaltige Geschichte einlassen.

Send Nudes - Baba Sams
Eigentlich habe ich das Buch im April beenden wollen, die Kurzgeschichten gefallen mir sehr. Da es ein Bibliotheksbuch ist (das ich in der Zwischenzeit auch schon verlängert habe) möchte ich es nicht unterwegs lesen und komme deshalb nicht so oft dazu.

Florence Butterfield und die Nachtschwalbe - Susan Fletcher
Das Buch habe ich anfangs April in Barcelona begonnen und mochte es auch sehr. Dann habe ich aber entschieden, meinen Rezensionsexemplaren den Vorrang zu geben, weshalb ich das Buch pausiert habe und nun im Mai beenden möchte.

Welche dieser Bücher kennt ihr bereits? Haben sie euch gefallen? Oder habt ihr vielleicht noch eines davon auf dem SuB und möchtet es gemeinsam mit mir lesen?

Ganz liebe Grüsse
Livia

Lese-Statistik April 2024

Hallo ihr Lieben

Der April liegt hinter uns und er war sehr gut zu mir. So gut gefüllt war ein Monat schon lange nicht mehr und es war genau die richtige Entscheidung, am Anfang des Monats eine Woche Barcelona einzubauen und so Kraft zu tanken für die verbleibenden Apriltage. Reiseberichte habe ich nur bei Instagram getippt (HIER, HIER und HIER), lade euch aber natürlich gerne ein, dort zu stöbern.
Vier Konzerte in vier Kantonen, viele Anlässe an der Musikschule, vier bis fünf Unterrichtstage pro Woche und ganz viele Proben haben für einige Zugstunden und den bisher arbeitsintensivsten aber auch spannendsten Monat des Jahres gesorgt. Wie ihr aber am Titelbild schon erkennen könnt, war das Lesen - respektive das Beenden von Büchern - nicht ganz so erfolgreich. Beendet habe ich drei Bücher (das Bibliotheksbuch hat es nicht mehr aufs Bild geschafft), begonnen habe ich fünf Bücher, die ich alle im Mai beenden möchte. Diese wahrscheinlich ein wenig spezielle Situation hat mit meinem eher rastlosen Leseverhalten zu tun, ist aber auch dem Umstand geschuldet, dass ich problemlos viele Bücher parallel lesen oder auch pausieren und wieder einsteigen kann, ohne die Übersicht zu verlieren.

Gelesen im April:

Beklemmende Geschichte über Familien, toxische Beziehungen, Gewalt, langsam aber spannend erzählt


Modernes Vampirbuch mit einer Vampirin, die versucht, ihre eigene Moral zu finden, als Protagonistin


Ein wenig gar simpel geschriebenes aber gut recherchiertes feministisches Buch, guter Einstieg ins Thema


Alle Seitenzahlen und Rezensionen:

Babysitter - Joyce Carol Oates   (624 Seiten)
Die Hungrige - Claire Kohda   (304 Seiten)
Sei kein Mann, Warum Männlichkeit ein Albtraum für Jungs ist - JJ Bola   (160 Seiten)

Neuzugänge:

Da muss ich jetzt wirklich kurz noch etwas loswerden....der April hat meinen SuB explodieren lassen und ich bin ehrlich gesagt ganz fein damit. Es sind Bücher auf ganz unterschiedlichen Wegen hier eingezogen. Vier Rezensionsexemplare (eines davon nicht angefragt) waren dabei, ganz viele Bücherschrankfunde und Buchgeschenke. Ausserdem habe ich mir im April das erste Buch in diesem Jahr gekauft und zwar "Und alle so still" von Mareike Fallwickl. Ja, Bücher können ein sehr teures Hobby sein, aber mit Bibliotheks- und Bücherschrankbesuchen kann man sich wirklich sehr, sehr gut über Wasser halten und dann um so mehr Geld in die Bücher investieren, die man wirklich, wirklich, wirklich neu besitzen möchte.

Das Nachtfräuleinspiel - Anja Jonuleit (Rezensionsexemplar)
Kaiserwald - Anja Jonuleit (Rezensionsexemplar)
Die Hungrige - Claire Kohda  (Rezensionsexemplar)
Welches Königreich - Fine Gråbøl (Rezensionsexemplar)
Die Halbwertszeit von Glück - Louise Pelt (Prämienbuch der Lesejury)
Wo ich dich finde - Amanda Brooke (am Strassenrand gefunden)
Himmelhorn - Volker Klüpfel und Michael Kobr (im Kollegiumszimmer im Mitnahmeregal gefunden)
Frankie - Jochen Gutsch und Maxim Leo (Wanderbuch)
Paare - Maggie Millner (Buchgeschenk von Enif)
Das andere Tal - Scott Alexander (Buchgeschenk von Enif)
Sie sagt, er sagt- Ferdinand von Schirach (Buchgeschenk von Enif)
Ein Geist in der Kehle -
Doireann Ní Ghríofa (Bücherschrankfund)
Und alle so still - Mareike Fallwickl (erster Buchkauf dieses Jahres)


Alle Zahlen in der Übersicht:

Gelesene Bücher: 3
Abgebrochene Bücher: -
Aussortierte Bücher: -
Gelesene Seiten: 1'088 Seiten
Durchschnittliche Seitenzahl pro Tag: 36.27 Seiten
Bücher von Autorinnen: 2
Bücher von Autoren: 1
Autor*innenduos (oder Gruppen): -
Geschenkt bekommene Bücher: 3
Ausgeliehen: 1
Buchgewinn: -
Buchprämien: 1
Rezensionsexemplare: 4
Gekaufte Bücher: 1
Eingesammelte Bücher: 3
Bibliotheksbücher: -
Gesamte Neuzugänge: 9
SuB am Monatsbeginn:
57 (+2)
Aktueller SuB: 67 (+1) Bücher
Differenz: +9

Kurzrezension: Sei kein Mann

Sei kein Mann, Warum Männlichkeit ein Albtraum für Jungs ist - JJ Bola

Beschreibung des Verlages:

Wann ist ein Mann ein Mann?
In der Ära von Trump, #MeToo und Attentätern wie in Halle oder Hanau ist Männlichkeit kein positiver Begriff mehr. Der Aktivist JJ Bola sucht Auswege aus der Krise. Dabei betrachtet er Einflüsse aus nichtwestlichen Traditionen, aus Popkultur und der LGBTQ+-Community und zeigt, wie vielfältig Männlichkeit sein kann.
JJ Bola lädt in versöhnlichem Ton ein zum Gespräch zwischen verhärteten Fronten. Denn erst wenn sich auch die Männer und der Begriff von Männlichkeit verändern, wird es echte Geschlechtergerechtigkeit geben.

Meine Meinung:
JJ Bola nimmt sich mit diesem Buch einem sehr wichtigen Thema an, von dem wohl einige von uns sich wünschen, dass es vermehrt ins Bewusstsein der ganzen - also auch der männlichen - Bevölkerung gerät. Die negativen Auswirkungen von (alten/klassichen) Männerbildern, Männlichkeiten und natürlich des Patriarchats an sich sind nämlich nicht nur für Frauen sowie natürlich sämtliche Minderheiten, sondern auch für Männer verheerend. Dies zeigt Bola eindrücklich an vielen Alltagsbeispielen, die er mit aussagekräftigen Statistiken und Quellen belegt. Leider ist mir sein Buch insgesamt ein wenig zu simpel geschrieben und ich schätze zwar sehr, dass er verschiedenste Probleme benennt - und ich freue mich über jede männliche Stimme, die sich gegen vorherrschende veraltete und diskriminierende Strukturen stellt - allerdings sind mir in seinem Buch zu wenige Lösungsansätze und auch zu wenig kritische Auseinandersetzung mit sich selber und seiner Rolle im System enthalten.
Gleichzeitig muss ich erwähnen, dass ich einfach schon sehr viele feministische und systemkritische Bücher aus vor allem weiblicher/queerer Perspektive gelesen habe und von diesem Buch einfach nicht mehr viel Neues mitnehmen konnte. Ich empfinde es aber als sehr guter Einstieg ins Thema vor allem auch für junge Menschen und explizit für junge Männer.

Fazit:
Obwohl ich mir sicher bin, dass es unbedingt auch männliche Stimmen bruacht, welche die Auswirkungen des Patriarchats/toxischer Männlichkeiten thematisieren und kritisieren, bin ich mir nicht ganz sicher, was ich von diesem Buch halten soll. Mir persönlich ist es viel zu seicht geschrieben und es präsentiert auch nicht wirklich (oder nur ganz kurz am Ende) Lösungen. Persönlich denke ich, dass es ein guter Einstieg ist für junge Menschen (Männer), die sich noch gar nicht mit dem Thema befasst haben, selber konnte ich allerdings nicht wirklich viel neues aus dem Buch mitnehmen.

Zusätzliche Infos:
Titel:
Sei kein Mann, warum Männlichkeit ein Albtraum für Jungs ist
Originaltitel: Mask Off
Autor: JJ Bola, geboren in Kinshasa im Kongo, ist Autor und Aktivist. Im Alter von sechs Jahren flüchtete er dank der diplomatischen Verbindungen seines Großvaters mit seiner Familie. Er wuchs in London in einer Brennpunkt-Siedlung auf. Nach seinem Master in Kreativem Schreiben an der Birkbeck University arbeitete er einige Jahre als Sozialarbeiter mit Jugendlichen mit psychischen Problemen. Bola engagiert sich weltweit zu Rassismus, Migrationserfahrungen und Männlichkeit. Er veröffentlichte drei Gedichtbände und einen Roman.
Sprache: Deutsch
Aus dem Englischen von: Malcolm Ohanwe
Taschenbuch: 160 Seiten
Verlag: hanserblau
Erscheinungsdatum: 24.01.2022
ISBN: 978-3-446-27283-5