Ein paar andere Gedanken zum Tag der Frau

"Warum wartest du immer, bis jemand anderes den Halteknopf im Bus betätigt, wenn du abends nach Hause fährst?", ist eine Frage, die mit oft gestellt wird.
"Warum trägst du deine Schlüssel stets wie eine Waffe in der Hand?", eine andere.

Tatsache ist, dass ich keine Frau in meinem Alter kenne, die stets ohne Angst nach Hause geht. Fast jede meiner Freundinnen, Cousinen, Kommilitoninnen hat eine oder mehrere Strategien entwickelt, wie sie sich abends - oder generell alleine unterwegs - verhalten und so sicherer fühlen kann.
Den Schlüssel in der Hand, den Pfefferspray in der Manteltasche, das Handy am Ohr haltend, vielleicht telefonierend mit dem Bruder, Freund, der besten Freundin, Mutter... Den Halteknopf im letzten Moment gedrückt, das Fahrzeug im letzten Moment verlassen, damit niemand unauffällig folgen kann.
Licht im Treppenhaus, barfuss auf dem Heimweg, damit man schneller rennen könnte und damit niemand die Schritte hört.
Wer kennt sie nicht, die Bitte an wildfremde Frauen, welche in die gleiche Richtung müssen. Ob man ein Stückchen zusammen gehen, kurz plaudern könne. Wer kennt sie nicht, die Frage an die Unbekannte an der Busstation, ob sie noch weit müsse, jemanden hätte, den sie anrufen könne, wenn sie sich fürchte.
Die Nachbarn kennt man, man weiss, wer in welchem Haus wohnt, mit wem man notfalls mitgehen könnte. Welches Auto zu wem gehört.
Wer kennt nicht dieses Gefühl der Schritte, welche näher kommen, schneller werden, des Atems, den man fast im Nacken spürt. Wer kennt nicht den Sprint zum Zuhause, das erleichterte Aufatmen, wenn die Wohnungstür hinter einem ins Schloss fällt.

An diesem Tag der Frau wollen wir dafür einstehen, dass Leistungen unserer Vorgängerinnen gewürdigt und anerkannt werden. Auch unsere Leistungen. Dass Menschen nicht gleich sind, aber gleiche Rechte haben sollen, gleiche Möglichkeiten und vor allem, dass sie aufgrund ihrer Ähnlichkeiten und nicht ihrer Unterschiede bewertet werden. So, wie wir immer schon dafür einstehen.

Aber wir wollen ausserdem einmal mehr daran erinnern, dass ein "Nein" ein "Nein" ist. Dass kein Mensch ein Recht hat, einen anderen Menschen ohne Einladung und ausdrückliche Erlaubnis zu berühren oder mehr. Wir wollen unseren Brüdern, Vätern, Freunden und Söhnen mitteilen, wie lähmend Angst sein kann und dass ein entsetztes Schweigen oder ein panisches Stehenbleiben kein "Ja" ist, sondern ein stummes "Nein".
Und wir wollen vor allem uns selber und unseren Mitmenschen aufzeigen, dass es erlaubt ist, auch im letzten Moment einen Rückzieher zu machen, dass es wichtig ist, auf unseren Prinzipien zu beharren und auf unser Bauchgefühl zu hören. Dass niemand mit dem Finger auf uns zeigen und eine jegliche Tat mit unserem Wesen und Aussehen rechtfertigen darf. Vor allem keine anderen Frauen. Die einfach nur Glück hatten, zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren oder ausnahmsweise verschont blieben. Denn solange Frauen andere Frauen veruteilen für das, was ihnen geschehen ist, werden Frauen nie stark sein, sondern immer schwach. Weil sie sich gegenseitig schwächen.

Und wir wollen voller Überzeugung dafür einstehen, dass niemand ein Recht hat, uns zu nahe zu treten, zu benutzen und danach mit dem Finger auf uns zu zeigen. Uns zum Schuldigen zu machen und zu verhöhnen, uns vor Gericht aus Mangel an Beweisen ohne Genugtuung ziehen zu lassen, alleine mit dem geschändeten Körper und der zerbrochenen Seele.
Unabhängig davon, wie kurz unser Rock, wie weit ausgeschnitten unser Shirt war.

Dafür möchte ich heute kämpfen, daran möchte ich heute glauben.

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